Esoterik auf Krankenschein

Heute hat mir meine Krankenkasse den Tag versaut, indem sie mir die Mitgliederzeitschrift zuschickte. Zuerst lese ich darin auf Seite 7:

Dieter F. Märtens, Alternierender Vorsitzender des Sozialpolitischen Ausschusses und Mitglied des Hauptausschusses im TK-Verwaltungsrat, ging auf das Thema „Prävention“ ein. Die TK-Präventionsangebote sollen der Einstieg sein, Menschen zu einem gesünderen Lebensstil zu motivieren. „Die TK hat ein breites Präventionsangebot und beteiligt sich an den Kosten für qualitätsgesicherte Präventionsmaßnahmen“, sagte Märtens. In der Prävention seien die Ausgaben in den letzten Jahren stark gestiegen. Die TK gebe erheblich mehr aus, als der gesetzliche Rahmenrichtwert empfiehlt.
„Deshalb stellt die TK ihren Präventionskatalog nach seinem Nutzen und in Bezug auf den Bedarf der Versicherten regelmäßig auf den Prüfstand. Es wird geklärt, ob die Angebote gesundheitswissenschaftlichen Standards entsprechen, ob sie wirtschaftlich sind und ob sie die Gesundheit tatsächlich positiv beeinflussen“, erklärte Märtens. Falls dies nicht der Fall sei, würden einzelne Angebote wieder aus dem Programm genommen. Auch in Zukunft wird die TK alles daran setzen, den stetigen Wandel mitzugestalten und ihren Versicherten weiterhin individuell zugeschnittene Leistungen auf hohem Niveau anzubieten.

Auch wenn sich die Krankenkasse bislang weigerte, mir bislang Prävention gegen Übergewicht und Bluthochdruck zu bezahlen, finde ich den Punkt mit dem „gesundheitswissenschaftlichen Standard“ gut und wichtig. Schließlich will ich nicht, daß von meinen derzeit fast 300€ Krankenkassenbeitrag dubiose Verfahren finanziert werden.

Jedoch heißt es einige Seiten später im selben Heft:

Zudem übernimmt die TK seit dem 1. Oktober dieses Jahres bundesweit die Kosten für die Untersuchungsgespräche (Anamnese) bei dafür qualifizierten Homöopathen. Das sind niedergelassene Kassenärzte mit einem Homöopathiediplom des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) oder einer vergleichbaren von der DZVhÄ-Managementgesellschaft anerkannten Qualifikation. Die Untersuchungsgespräche umfassen eine ungefähr 60 Minuten dauernde Erstanamnese. Dabei werden die Krankheitsursachen eingehend analysiert. Weitere Leistungen sind notwendige Folgegespräche (ein Mal im Quartal), die Arzneimittelauswahl und homöopathische Analysen, um die Wirksamkeit der verordneten Medikamente zu beobachten. Bei Bedarf können zudem weitere kürzere homöopathische Beratungen folgen. Der Behandlungsplan wird auf jeden Patienten persönlich abgestimmt. Die Kosten für die in diesem Rahmen benötigten Medikamente müssen TK-Versicherte ab dem Alter von zwölf Jahren aber selbst tragen.

Seit wann entspricht denn Homöopathie den gerade vorher erwähnten „gesundheitswissenschaftlichen Standards“? Meine Beiträge werden also dafür ausgegeben, daß sich leichtgläubige Menschen von Quacksalbern innerhalb einer Stunde irgendeine Diagnose nach Kriterien aus dem 17./18. Jahrhundert stellen lassen? Aber wenn ich z.B. eine einstündige Ernährungsberatung oder auch nur Zuschüsse zu meinen Versuchen, wieder etwas abzunehmen, haben möchte, dann wird das verweigert?

So geht das doch nicht! Entweder bezahlt Ihr auch Präventionsmaßnahmen, die nicht Euren „gesundheitswissenschaftlichen Standards“ entsprechen. Oder Ihr verweigert die Zahlung bei all den tollen esoterischen Methoden, die Ihr in der im Heft angeführten Broschüre aufführt. Ein wenig Konsequenz halte ich hier für angebracht.

Denn in dieser Broschüre steht versteckt im Vorwort Folgendes drin:

Die Wirksamkeit und Sicherheit von vielen komplementär-medizinischen Therapieverfahren ist allerdings bisher nicht ausreichend wissenschaftlich untersucht worden.

Ist sie nicht? Wieso gibt’s dann aber Zuschüsse von der Krankenkasse? Im nächsten Abschnitt des Vorworts heißt es dann sogar:

Eine Ausnahme bildet die Akupunktur, die das Charité-Institut in den letzten Jahren gemeinsam mit der Techniker Krankenkasse umfangreich untersucht hat. Als Ergebnis zeigte sich: Akupunktur wirkt bei unterschiedlichen Schmerzerkrankungen, wie zum Beispiel Kniegelenksarthrose und Schmerzen der Lendenwirbelsäule, und ist zusätzlich eine sehr sichere Therapie. Inzwischen übernehmen die TK und andere Krankenkassen die Kosten der Akupunktur für diese Diagnosen.

Ok, Ihr habt Geld in diese Untersuchung gesteckt. Aber fairerweise sollte man doch erwähnen, daß sich bei jener Studie herausstellte, daß Akupunktur zwar wirkte, jedoch keinesfalls besser als eine Placebobehandlung! Ich erwarte von meiner Krankenkasse aber, daß sie wirklich nach wissenschaftlichen Kriterien beurteilt, und nicht populistisch, um möglichst viele Mitglieder ins schaukelnde Boot zu locken.

Nachdem ich heute morgen schon vor dem Aufstehen einem Podcast mit Henryk M. Broder lauschte, möge dieser am Ende des Tages nun auch das Schlußwort haben: „Sie müssen Geduld haben“


Nach mehr als einem halben Jahr ergänze ich diesen Beitrag noch um einen Link. Die British Medical Association nimmt einduetig Stellung zu Homöopathie, und dieser lesenwerte Artikel gibt auch meine Meinung dazu ziemlich genau wieder.

2 Gedanken zu “Esoterik auf Krankenschein

  1. Es ist leider in D nicht mehr möglich, eine KK zu finden die in ihren Tarif-Angeboten völlig auf Quacksalbereien verzichtet. Es scheint, als hätte man sich eher mit dem Wissensnotstand in der Bevölkerung abgefunden statt aufzuklären. Und PolitikerInnen machen an prominenter Stelle bei diesen Schweinereien mit (aber das kommentierte ich ja schon in einem anderen Thread, Du weißt was ich meine 😉 )

    1. Jaja, ich weiß schon, was Du meinst. Doch gibt es wohl keine Partei ohne solche Leute, wie es wohl auch keine ohne Christen gibt (selbst bei den Linken kenne ich einen Pastor).
      Es gibt zwar eine LAG (Landesarbeitsgemeinschaft) ChristInnen bei den Grünen, aber keine „LAG Aufklärung“. Daher weiß ich noch nicht so recht, wohin mit meiner Kritik.
      Ich habe auf eine Mailanfrage inzwischen auch von der oben zitierten GWUP eine Antwort erhalten, die ungefähr dem entspricht, was Du im ersten Satz schreibst.
      Allerdings erfuhr ich dabei auch, daß ich nicht der Einzige bin, der sich deswegen bei der GWUP gemeldet hat. Die verfolgen das auch, und werden sich bei Gelegenheit auch noch dazu äußern.
      Mich hat an dem konkreten Fall auch am meisten genervt, daß die Krankenkasse quasi in einem Atemzug die Wichtigkeit der wissenschaftlichen Fundierung bei Präventionsmaßnahmen erwähnt, während sie gleich darauf auf dieselbe verzichtet, wenn es um die Finanzierung von Homöopathie geht.

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