Wer die Wahl hat… (hört interessante Musik)

Womit soll ich nach dieser langen Pause anfangen? Als ich den letzten Beitrag schrieb, ahnte noch niemand, dass uns eine Pandemie und ein Krieg in Europa bevorstehen würden. Inzwischen habe ich die 60 überschritten und mein Leben plätschert trotz des Chaos um mich herum ruhig vor sich hin. Und das finde ich gut so, schließlich habe ich nicht vor, frühzeitig an einem Herzinfarkt zu sterben.

Aufregung hatte ich vor ca. zwei Wochen, als ich mir (auch aus Anlass meines Geburtstags) ein klassisches Gitarrenkonzert im heimischen Wohnzimmer gönnte. Und wer jetzt glaubt, wir hätten uns dazu vorm Bildschirm oder den Lautsprechern versammelt, befindet sich auf dem Holzweg. Die Frankfurter Gitarristin Heike Matthiesen kam zu Besuch und bot uns live und quicklebendig einen Querschnitt durch ihr Repertoire.

Da sich einige Leser und Leserinnen vielleicht nicht in der Welt der klassischen Gitarre auskennen: Ich hab’s auch mal probiert, bin jedoch nie über die „Regionalliga“ hinausgekommen. Heike spielt in der „Champions League“ und hat sich – auch an jenem Abend – auf zwei musikalische Gebiete konzentriert: Einerseits klassische spanische Gitarrenmusik – vielleicht sind Komponisten wie Albeniz, Tarrega oder Sor dem Einen oder der Anderen ein Begriff? Und andererseits schlägt ihr Herz für weitgehend unbekannte Komponistinnen der Romantik.

Von denen scheint es gar nicht wenige zu geben, nur ist deren Musik in schriftlicher Form, also als Notenblätter, leider kaum überliefert worden. Es wäre kein Konzert von Heike gewesen, wenn diese zwischendurch nicht auch Wissenswertes über die Komponistinnen der Werke erzählt hätte. Ich gebe zu, dass deren Namen mir bis zu diesem Zeitpunkt fremd waren. Einzige Ausnahme war Madame Sidney Pratten, auf deren Namen ich aber auch erst stieß, als ich im Vorfeld des Hauskonzertes nach Heike Matthiesen googelte.

Um diese Musikerinnen zu entdecken, zu erforschen, und dann auch bekannter zu machen, engagiert sich Heike sehr im Archiv Frau und Musik, welches ebenfalls in Frankfurt am Main beheimatet ist. Ich selbst entdecke immer wieder gerne „neue“ Musik, in dem Sinne, wie Columbus Amerika entdeckte: Natürlich gibt es diese Musik bereits irgendwo (so wie der Kontinent Amerika mitsamt seiner Ureinwohner schon vor Columbus existierte). Doch hat es für mich immer wieder auch den Reiz des Unbekannten, Musik zu entdecken, die kaum jemand kennt. Ob ich diese neuentdeckte Musik dann auch schön oder interessant finde, zeigt sich meistens nach mehrmaligem Anhören. Aber dazu muss ich sie erst einmal entdeckt haben!

Ich kann also Heikes Leidenschaft auf meine Weise gut nachvollziehen. Und nach dem Konzert ist bei mir vor allem der Name Maria Linnemann im Gedächtnis geblieben, eine Komponistin, deren Werke ich mir demnächst noch einmal genauer anhören werde.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich etwas abschweifen und auf zwei andere Geburtstagsgeschenke eingehen, die beide mit Musik bzw. einer Komponistin zu tun haben. Ich bekam den Soundtrack zu „Ghost in the Shell: Stand Alone Complex“ und eine komplette DVD-Ausgabe von „Cowboy Bebop“. Das sagt wahrscheinlich nur Liebhabern und Liebhaberinnen japanischer Animefilme und -serien etwas. Für beide Serien schrieb Yoko Kanno die Musik.

Bekannte japanische (Film-)Komponisten sind bzw. waren der kürzlich verstorbene Ryuichi Sakamoto und Joe Hisaishi, der vor allem durch die zauberhaften musikalischen Untermalungen von Filmen des Regisseurs Hayao Miyasaki und des Studios Ghibli bekannt wurde. Man muss dazu wissen, dass man in Japan ein völlig anderes Verhältnis zu Mangas und Animes hat als in Deutschland. Bei uns galten „Comics“ und „Trickfilme“ noch bis vor gar nicht so langer Zeit als Freizeitbeschäftigung von Kindern. Daher war es bei uns bislang auch nicht besonders hochangesehen, für so etwas (oder gar für Videospiele!) Musik zu schreiben. Dementsprechend anspruchslos geriet auch die meiste Musik.

In Japan dagegen war und ist das völlig anders. Man kann sich dort zwar ebenfalls für europäische Klassiker wie Bach und Beethoven begeistern, scheut sich aber auch nicht, Musik aus Videospielen orchestral aufzuführen. Das ist eine Kunstform, die bei uns „im Westen“ nicht existiert. Wir sind gerade mal soweit, dass auch Filmmusik immer mehr in die Konzertsäle kommt.

Yoko Kanno begann ebenfalls als Komponistin für Videospiele, die in Japan jedoch einen ganz anderen Stellenwert als in Deutschland genießen. Laut Wikipedia komponiert sie seitdem auch „für Anime, Live-Action Filme, Dokumentationen, Solo-Alben, TV-Werbungen und für sich selber“. Außerdem ist sie der Kopf der Band „Seatbelts“, welche grob irgendwo zwischen Blues und Jazz eingeordnet wird.

Das Faszinierende ihrer Musik in meinen Ohren ist aber gerade, dass man Yoko Kanno schlecht auf einen Stil festlegen kann. Die Animeserie „Cowboy Bebop“ kenne ich überhaupt nicht, vielleicht gefällt sie mir auch nicht. Aber die hochgelobte Musik der Serie stammt von Yoko Kanno, und allein deswegen muss ich mir diese Serie anschauen.

Wenn Ihr mal in das Debutalbum „Song to Fly“ (1998) von Yoko Kanno hineinhört, dann werdet Ihr eine Überraschung nach der anderen erleben (Neugier auf interessante Musik setze ich einfach mal voraus). Schon der Anfang erinnert mich (nicht ganz zufällig) an „Le Mystere des Voix Bulgares“, eine Musik, die ich Mitte der Achtziger zum ersten Mal hörte.

An diesen Moment erinnere ich mich noch sehr genau. Ich fuhr damals Taxi in der Nachtschicht, stand nach Mitternacht am Braunschweiger Dom und wartete auf Fahrgäste. Dabei hörte ich eine Sendung auf BFBS, in der zwei Moderatoren sich gegenseitig sehr exotische Musik vorspielten, die sie auf ihren Reisen durch die Welt entdeckt hatten. (Später erfuhr ich von einer anderen Bekannten namens Heike, dass mit dieser Musik in der DDR wohl schon Schüler und Schülerinnen gequält wurden, und sie ihr daher leider nichts mehr abgewinnen konnte.)

Nun saß ich also nachts alleine im Auto und hörte völlig ahnungslos den Gesang bulgarischer Frauenchöre. Und da ich nur mit einem Ohr den Moderatoren zugehört hatte, hatte ich keinen blassen Schimmer, worum es sich dabei handelte. Ich war nicht einmal in der Lage, das Herkunftsland zu „schätzen“, denn so etwas hatte ich noch nie zuvor gehört.

Im Folgenden versuchte ich dann, diese Musik auf Schallplatte zu erwerben, denn CDs gab es damals noch nicht. Und ich habe nach einigen Wochen tatsächlich meine beiden teuersten Schallplatten in der Hand gehalten: Jede der Scheiben hat mich damals 35 DM gekostet, was gemessen an den damals üblichen Plattenpreisen schon ein kleines Vermögen war.

Diese Musik wurde ein paar Jahre später auch von Kate Bush entdeckt und tauchte dann auf ihrem nächsten Album auf. Und in diesem Jahrtausend fand ich sie dann völlig unerwartet auf dem Album von Yoko Kanno wieder, der ich mich nun nochmal zuwenden möchte.

Yoko Kanno scheint mir ebenfalls (zumindest musikalisch) durch die ganze Welt gereist zu sein, und baut ihre „Fundstücke“ in ihre Musik ein. Ähnliches taten auch Sakamoto und Hisaishi. Sie schreckt dabei jedoch auch nicht vor Jazz oder modernen Einflüssen zurück. Vielleicht ist das die Zukunft der Musik bzw. die Musik der Zukunft? Denn wirklich Neues lässt sich kaum noch erschaffen. Stattdessen „komponiert“ man im doppelten Sinne aus verschiedenen Komponenten ungeachtet des Stils und der Epoche etwas Interessantes, in dieser Form noch nie dagewesenes.

In der deutschsprachigen Wikipedia findet man leider nur sehr wenig über Yoko Kanno. Aber in der japanischen heißt es unter Anderem:

クラシックから民族音楽、ロック、テクノ、アイドルポップまで、古今東西の多様な音楽ジャンルの要素を巧みに取り入れる。

https://ja.wikipedia.org/wiki/%E8%8F%85%E9%87%8E%E3%82%88%E3%81%86%E5%AD%90

Google übersetzt dies folgendermaßen:

Von klassischer Musik über Volksmusik bis hin zu Rock, Techno und Idol-Pop integriert er gekonnt Elemente verschiedener Musikgenres aus aller Welt.

Wobei „er“ vermutlich der maschinellen Übersetzung aus dem Japanischen geschuldet ist.

Das Vorurteil, dass Videospiele, Animes und Popmusik nur etwas für junge Leute seien, widerlegt die 60jährige Japanerin ganz einfach durch ihre Biographie. Ich finde es im Gegenteil traurig, wenn Leute aus meiner Generation (zu der auch Heike Matthiesen gehört) mit ihrem musikalischen Geschmack bei Joe Cocker und Tina Turner enden, schlimmstenfalls in Deutschland sogar bei den Flippers oder den Amigos. Ja, auch das ist Musik, aus meiner Sicht jedoch schon sehr grenzwertig.

Daher mein Appell nicht nur an die Babyboomer: Bleibt neugierig! Hört Euch Heike Matthiesen und Yoko Kanno an, falls Ihr sie noch nicht kennt. Erst wenn man etwas (möglichst mehrmals) gehört hat, kann man sagen, ob einem das gefällt. Musik, die man nicht kennt, deswegen aus Prinzip abzulehnen, finde ich traurig. Denn Musik ist immer Leidenschaft, selbst wenn man das z.B. den Amigos nicht wirklich ansieht, bevor sie ihre Kontoauszüge betrachten.

Musiker und Musikerinnen, Profis wie Heike, Amateure wie ich, widmen dieser Leidenschaft viel Zeit und Geld. Für „Außenstehende“ sieht das daher ein wenig verrückt aus, wenn ich viel Geld spende, damit Heike ihre neueste CD besser unter die Menschheit bringen kann, und sie im Gegenzug einige Stunden ihrer Zeit opfert, um ein paar Menschen ein besonderes musikalisches Erlebnis zu bieten.

Es muss ja auch nicht jeder eine Leidenschaft für Musik entwickeln. Es gibt viele andere Leidenschaften, von denen ich so manche auch nicht wirklich nachvollziehen kann. Aber ich bewundere es immer, wenn sich jemand leidenschaftlich einer Sache widmet. In meinem Fall ist es die Musik, und daher möchte ich diesen ersten Blogbeitrag nach langer Wartezeit mit einem berühmten Zitat von John Miles enden:

„Music was my first love
And it will be my last
Music of the future
And music of the past

To live without my music
Would be impossible to do
In this world of troubles
My music pulls me through“

Wie geht’s weiter?

Wieso habe ich seit Jahren keinen Beitrag mehr veröffentlicht? Themen gäbe es genug. Eher sind es zu viele, so dass ich nicht weiß, womit ich anfangen soll.

Aber vielleicht ist der Grund viel einfacher. Ein Antrieb war in der Vergangenheit, dass ich mit etwas furchtbar unzufrieden war. Nun bin ich zufrieden und glücklich, wenn auch nicht immer ganz gesund.

Wie kann ich aber glücklich sein angesichts des Chaos, des Terrors und all der Dummheit auf diesem Planeten? Weil ich mit zunehmendem Alter die Gelassenheit habe, Dinge hinzunehmen, die ich nicht (mehr) ändern kann. Ich wünschte, ich hätte früher den Mut gehabt, die Dinge zu ändern, die ich ändern kann. Früher, als ich noch die Kraft gehabt hätte, mir es jedoch am Mut mangelte, auch nur mein eigenes Leben in die eigenen Hände zu nehmen.

Wer bin ich geworden? Ein Besserwisser war ich schon immer. Und manchmal kann ich auch eine Nervensäge sein. Aber ich bin vor allem froh darüber, dass ich kein Arschloch geworden bin (außer vielleicht aus der Sicht einiger Arschlöcher).

Kein Grund, sich auf Lorbeeren auszuruhen. Meine Neugier treibt mich weiter zu neuen Zielen. Ich setze nur andere Prioritäten als früher und versuche, mich auf eine Leidenschaft zu konzentrieren.

Wie wird es also weitergehen? Was sind meine Ziele, nachdem ich vieles erreicht habe?

  • So viel Musik wie möglich. Ich habe noch viel nachzuholen.
  • Ernährungsumstellung (erfordert Planung und Vorbereitung).
  • Unregelmäßige soziale Kontakte.

Aus Facebook werde ich vermutlich irgendwann verschwinden. Bei Twitter versuche ich, aktiv zu bleiben.

Und ich brauche eindeutig mehr Schlaf, damit mein nächster Beitrag besser wird. Dann lasse ich mir mit diesem vielleicht auch nicht wieder mehrere Jahre Zeit…

Zeitumstellung: Schafft die Sommerzeit ab!

Ab jetzt ist es abends dunkel, wenn man aus dem Büro kommt, Kinder können eine Stunde kürzer draußen spielen. Warum machen wir nicht Schluss mit diesem Irrsinn?

Quelle: Zeitumstellung: Schafft die Winterzeit ab! – SPIEGEL ONLINE

Ich habe gerade Lust, den Kommentar von Christian Stöcker zu zerfleischen, der ungeachtet der Tatsachen mittels Manipulationen der Uhrzeit die Welt verbessern möchte. Zumindest in Deutschland.

Ich denke bei Menschen, die nach Möglichkeit all ihre freie Zeit im Freien verbringen, als Erstes an jemand ganz anderen: an Kinder. Und denen wird heute mal wieder übel mitgespielt. Wie jedes Jahr um diese Zeit.

Ja, die Zeitumstellung ist einfach überflüssig. Als ich ein Kind war, gab es die bei uns noch nicht. Da wurden die Tage im Winter einfach kürzer. Und da uns niemand im Frühjahr eine Stunde Zeit genommen hatte, beklagten wir uns auch nicht im Herbst darüber, wenn sie uns endlich zurückgegeben wurde.

Heute, am Sonntag nach der Zeitumstellung, wird es in Hamburg um 18:48 Uhr Nacht. Ja: Nacht. Obwohl im Fernsehen noch das sogenannte Vorabendprogramm läuft.

So geht es mir jedes Jahr im Frühling, wenn die Uhr vorgestellt wird: Dann ist es morgens, wenn ich das Haus verlasse, um zur Arbeit zu fahren, noch Nacht. Obwohl ich arbeiten muss.

Spätestens dann werden die meisten Eltern jüngerer Kinder ihren Nachwuchs zusammentrommeln und nach drinnen verfrachten. Die Kinder dürfen dann zwar eine Stunde länger aufbleiben als am Vortag. Aber das gelingt nicht allen – dafür sind sie einfach zu müde. Dafür sind sie am nächsten Morgen garantiert eine Stunde zu früh wach. All das führt ein paar Tage lang zu Schlafmangel und schlechter Laune auf allen Seiten. Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich rede.

Das mit den „jüngeren Kindern“ geht irgendwann vorbei, glauben Sie mir. Aber die Umschaltung auf Sommerzeit führt bei mir selbst ein paar Wochen lang zu Schlafmangel und schlechter Laune. Auch ich weiß, wovon ich rede.

Die Umstellung von Sommer- auf Winter- oder genauer: auf Normalzeit ist jedes Jahr wieder eine Quälerei.

Nein, die Umstellung von der Normalzeit auf Sommerzeit ist jedes Jahr wieder eine Quälerei. Nun im Herbst kommt mein eigener Rhythmus endlich wieder ins Gleichgewicht.

Allerdings wollen, und das hat mich dann doch erstaunt, von weit über 82.000 Menschen, die dieses Frühjahr an einer SPIEGEL-ONLINE-Abstimmung zum Thema teilgenommen haben, fast 55 Prozent die Sommerzeit abschaffen und nur 31,6 Prozent die Winterzeit. Das kann ich nicht nachvollziehen. Morgens dunkel ist mir egal. Abends dunkel finde ich deprimierend und kinderfeindlich.

Ich habe früher gedacht: Morgens hell ist mir egal. Da schlafe ich sowieso noch. Aber seit ich regelmäßig morgens früh zur Arbeit muss, ist es mir keineswegs egal. Gerade der Lichtmangel am Morgen führt zu Depressionen. Und ich weiß auch in diesem Fall, wovon ich rede. Denn ich habe zwar keine Kinder, jedoch Depressionen.

Lieber abends ein bisschen länger hell, lieber nicht Ende Oktober jedes Jahr von einem Tag auf den anderen immer bei Dunkelheit aus dem Büro kommen, monatelang, lieber abends noch mal draußen sitzen, wenn das Wetter es zulässt.

Lieber nicht Ende März jedes Jahr von einem Tag auf den anderen immer bei Dunkelheit ins Büro müssen…

Wäre es nicht schön, wenn es in Europa stattdessen den ewigen Sommer gäbe?

Das ist der grundsätzliche Fehler im Gedankengang der Sommerzeitbefürworter: Die Jahreszeiten richten sich eben nicht danach, wie wir die Uhr einstellen. Das Problem kommt vielmehr daher, dass wir uns – seit Einführung des elektrischen Lichts – nicht mehr nach den Jahreszeiten richten (wollen).

Es wurden (außerhalb der Landwirtschaft) feste, sich täglich wiederholende Arbeitszeiten eingeführt, unabhängig vom Tageslicht. Natürlich ist es toll, dass wir nun dank des elektrischen Lichts zu jeder Tageszeit arbeiten können, z.B. beim Notdienst im Krankenhaus. Problematisch ist nur, dass wir das grundsätzlich tun, nicht nur in dringenden Notfällen.

Und weil wir im Winter die paar Stunden, die es am Tag noch hell ist, nun vollständig mit Arbeit verbringen, bleibt in dieser Jahreszeit natürlich kein Tageslicht mehr für unsere Freizeit übrig. Der sommerliche Zustand, dass wir immer noch einige Stunden Licht haben, die wir in unserer Freizeit nutzen können, lässt sich nicht durch eine Zeitumstellung ganzjährig herstellen.

Findet Euch also damit ab, dass die Erdachse geneigt ist, und wir dadurch in unseren Breitengraden unterschiedliche Tageslängen haben. Oder zieht an den Äquator.

Alternativ könntet Ihr Euch aber auch dafür einsetzen, im Sommer, wenn die Sonne nach Normalzeit bereits zwischen vier und fünf Uhr aufgeht, früher zu arbeiten. Um dann abends noch mehr Tageslicht in Eurer Freizeit zu haben. Das wäre eine individuelle Lösung, die nicht wie eine Zeitumstellung Auswirkungen auf alle Menschen hätte.

Nachtrag: Statt uns im Frühjahr eine Stunde zu klauen, könnte man die Uhr auch einfach um 23 Stunden zurückstellen, also am Sonntag um 2 Uhr auf Samstag, 3 Uhr zurück. 🤗

Welt ohne Werbung

Wer sich eine Welt ohne Werbung nicht vorstellen kann, ist entweder fantasielos, oder er verdient seinen Lebensunterhalt damit.

Ich könnte Letzteres niemals, denn mein schlechtes Gewissen würde sich sofort melden, wenn das Resultat meiner Arbeit anderen Menschen auf die Nerven ginge. Wobei ich es auch nicht wirklich als Arbeit ansehe, wenn zum Beispiel Boris Becker Geld dadurch verdient, sich den Schweiß mit einem Handtuch mit Coca-Cola-Logo abzuwischen.

Wer freut sich eigentlich über Werbung? Doch nur diejenigen, die dadurch reich werden, ohne wirklich einen Finger dafür zu krümmen. Ein Traumjob? Wohl kaum, träume ich doch vielmehr von einer Welt ohne Werbung.

Für all diejenigen, die meinen, ohne Werbung gäbe es das Internet nicht (mehr): Bis in die 90er Jahre hinein war das Internet werbefrei. und es lief nicht nur ohne Werbung, nein, es wuchs sogar noch! Dann entdeckten Werbetreibende das Netz für ihre Zwecke.

Wurde das Internet etwa dadurch besser, dass uns Werbung aufgedrängt wurde, ohne die es auf einmal angeblich gar nicht mehr geht? Ich bin vom Gegenteil überzeugt, denn nun können Hinz und Kunz auch mit den niveaulosesten Beiträgen im Internet Geld verdienen – solange nur die Anzahl der Klicks stimmt.

Wenn Ihr im Internet ein Pendant zu RTL2 wollt, dann sollt Ihr es bekommen. Aber bitte lasst mir meine werbefreien Nischen im Internet – so wie es im Fernsehen ja auch immer noch so etwas Hochwertiges wie arte gibt…

Es geschah nicht in Berlin…

Es hält sich hartnäckig das Gerücht, dass die erste Grenzüberschreitung nach Schabowskis Pressekonferenz am 09.11.1989 am Grenzübergang Bornholmer Straße in Berlin stattfand. Dieses wird noch dadurch erhärtet, dass zufällig ein Team von SPIEGEL TV anwesend war, welches die historischen Bilder aufnahm, die in diesen Tagen hunderte Male auf allen Fernsehkanälen wiederholt werden.

Ab 21:20 Uhr wurde einzelnen Personen gestattet, den Grenzübergang ohne größere Formalien zu passieren. Erst eine halbe Stunde vor Mitternacht wurde dann dort der Schlagbaum geöffnet, und die Kontrollen wurden eingestellt – weil sie einfach nicht mehr möglich waren.

Am Grenzübergang Helmstedt-Marienborn waren sie jedoch etwas schneller, laut Wikipedia sollen die ersten um 21:15 Uhr herübergekommen sein. Nur war leider kein Fernsehteam anwesend, welches historische Aufnahmen gemacht hätte. Zum Glück wohnte ich damals in Braunschweig in unmittelbarer Nähe der Bundesstraße 1, die von Helmstedt aus zur zweitgrößten Stadt Niedersachsens führte, und kann daher berichten, was an jenem Abend (jenseits von Berlin) wirklich geschah.

Aber fangen wir von vorne an: In jenem Sommer hatte ich wenig von den Geschehnissen um die Prager Botschaft und den Ausreisen per Zug durchs Gebiet der DDR mitbekommen, weil ich zu der Zeit irgendwo in Skandinavien im Urlaub war, und die Nachrichten erst mit beträchtlicher Verspätung eintrafen.

Ich war quasi (auch) mit Fernsehen und Radio der DDR aufgewachsen, denn in Braunschweig, nur 40 km von der „Zonengrenze“ entfernt, hatten wir hervorragenden Empfang. Und es gab ja noch keine Privatsender im Westen, sondern ausschließlich ARD, ZDF, und das dritte Fernsehprogramm des NDR. Und im Radio eigentlich nur NDR 1-3 und den Deutschlandfunk, wenn man nicht noch auf Kurzwellensender auswich (achja, den britischen Soldatensender BFBS gab’s natürlich auch noch). Da habe ich manchmal aus Not und Neugier auch mal das DDR-Fernsehen eingeschaltet. Und deswegen bin ich sozusagen mit dem Ostsandmännchen, Pittiplatsch, Schnatterinchen und Frau Doktor Pille aufgewachsen.

Doch in jenem Sommer 1989, als bei den neuen Privatsendern schon wieder die Langeweile einkehrte, entdeckte ich DT64, das Jugendradio der DDR. Und das war besser, aufregender, frecher und abwechslungsreicher als alles, was ich je zuvor im Radio gehört hatte. Und dann gab es da noch ab Mitternacht die Sendung „Schlafstörungen“ mit Marion Brasch, der ich gebannt folgte. Ja, ich habe Marion sogar ein paarmal in der Sendung angerufen, und sie im Frühjahr 1990 überraschend im Sender in der Nalepastraße besucht.

Auf jeden Fall bekam ich durch DT64 schon vor der eigentlichen Wende mit, wie die Stimmung im Osten war, und dass sich dort etwas anbahnte. Was all die Demonstrationen am Ende bringen würden, konnte sich zu jenem Zeitpunkt noch niemand ausmalen. Aber alle wollten etwas ändern, und sie verschafften sich mehr und mehr Gehör und Aufmerksamkeit.

Am 9. November dann habe ich kurz nach 19 Uhr (in den heute-Nachrichten?) Aufnahmen der legendären Pressekonferenz gesehen, und wusste sofort, dass nun etwas in Gang gesetzt worden war, was niemals wieder rückgängig gemacht werden konnte – wenn die DDR-Oberen nicht ihr eigenes Volk niederprügeln oder gar -schießen wollten.

Ich habe damals bei meinen Eltern angerufen, und mit meiner Mutter(?) über das gesprochen, was ich gerade im Fernsehen gesehen hatte. Wir hatten überhaupt keine Verwandten in der DDR, waren also eigentlich persönlich weniger betroffen. Nach dem Telefonat starrte ich noch lange ungläubig mit Tränen in den Augen auf die Fernsehbilder – zu jenem Zeitpunkt war die Grenze aber noch dicht!

Ich kannte Deutschland nicht anders, da ich drei Monate vor dem Mauerbau geboren wurde. In den frühen Sechzigern ahnte man auch noch nicht, dass die DDR diesen Unsinn 28 Jahre lang durchhalten würde. Die Grenze bei Helmstedt und vor allem im nahen Harz habe ich als kleiner Junge immer mit einer Mischung aus Angst und Verwirrung betrachtet. Auf beiden Seiten lebten Deutsche, wieso konnten die nicht einfach von einer Seite auf die andere gehen?

Im Herbst 1989 geschah jedoch genau dieses: Zuerst gingen einzelne Menschen vor allem von Osten nach Westen über diese jahrzehntelang undurchdringliche Grenze. Und kurze Zeit später folgten bereits Menschen- und Fahrzeugmassen. Die habe ich nämlich an jenem Abend noch reichlich zu Gesicht bekommen.

Ich schätze, es war gegen 22 Uhr, als ich mich auf den Weg in die Innenstadt machte. Ich wollte einfach noch mal raus, und im Panoptikum, meiner Stammkneipe und -disko vorbeischauen. Da ich fast an der Straße in Richtung Innenstadt wohnte, zu dem Zeitpunkt aber kein Auto besaß, beschloss ich zu trampen. Schließlich fuhren auf der B1, welche in Braunschweig Helmstedter Straße hieß, jede Menge Fahrzeuge in Richtung Innenstadt.

Es war Donnerstagabend, und nicht allzu viel los. Aber das Merkwürdige war, dass zwischen all den Autos zuerst nur sporadisch, später jedoch immer mehr Trabbis und Wartburgs auftauchten! Bis zu jenem Tag waren solche Fahrzeuge auch nur 40 km jenseits der DDR-Grenze eine absolute Rarität. Mich hatte dann jemand (kein Ossi) mitgenommen, und in der Innenstadt in der Nähe des Rathauses abgesetzt. Ich ahnte zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass ich im Laufe der Nacht in einem Wartburg nicht nur mitfahren würde…

Am Platz vor dem Rathaus war die Hölle los: Alles war mit Fahrzeugen aus der DDR zugeparkt! Anscheinend machten sich die Ossis irgendwie Hoffnung, dass sie um diese späte Tageszeit noch ihre 100 DM Begrüßungsgeld abholen könnten. Aber ich glaube, die meisten hatten überhaupt gar keinen Plan, und suchten das Rathaus nur als erste Anlaufstelle auf. Die Allermeisten waren zum allerersten Mal in Braunschweig, und wussten überhaupt nicht, was sie dort machen sollten.

Ich weiß nicht, ob es tatsächlich Begrüßungsgeld gab, doch der Ansturm der Ossis samt Trabbis stellte die Braunschweiger Behörden vor nicht unerhebliche Probleme. Während ich zwischen all den Ossis über den Rathausplatz schlenderte, bekam ich vor allem eine Angst mit: Die Meisten wollten auf jeden Fall zurück, nur nicht sofort, und hatten große Angst, ob die Grenze nicht wieder dicht gemacht würde. Und wo sollten sie die Nacht verbringen? Der Stau auf der A2 vor der Grenze in Marienborn reichte angeblich bis Magdeburg zurück.

Doch die Stadt leistete in jener Nacht Unglaubliches. Es wurden Busse organisiert, die die Besucher aus der DDR in eine Kaserne am Stadtrand brachten. Die wurde wohl kurzfristig von den Soldaten geräumt, so dass Unterkünfte zum Übernachten zur Verfügung standen. Zwei Männer und eine Frau in meiner Nähe wollten das Angebot annehmen, aber nicht ihren Wartburg zurücklassen. Und sie hatten Angst, sich bzw. den Bus beim Hinterherfahren zu verlieren.

Ich hatte in den Jahren zuvor als Taxifahrer in Braunschweig gearbeitet, und fragte den Busfahrer, wo er denn hinführe. Ich weiß heute nicht mehr, wie die Kaserne hieß, sie war jedoch an der Helmstedter Straße gelegen, in unmittelbarer Nähe meiner Wohnung! Also bot ich den Dreien an, sie zu begleiten, damit sie hinter dem Bus herfahrend sicher zur Kaserne gelangten.

Nun saß ich also zum ersten Mal in meinem Leben in einem Wartburg. Und das sollte nicht die letzte Überraschung dieser Nacht bleiben. Wir fuhren also zu jener Kaserne, und bevor ich weitererzähle, möchte ich kurz in Erinnerung rufen, dass wir uns damals noch im „Kalten Krieg“ befanden. Ich weiß noch, welche Kontrollen ich (als Zivildienstleistender) am Eingang einer Kaserne über mich ergehen lassen musste, weil ich einen Freund besuchen wollte, der auf der Krankenstation lag. Das war nicht so schlimm wie die Kontrollen an der DDR-Grenze, aber penibel war das schon.

Und jetzt dieses: Der Bus kam vor uns am Kasernentor an – und wurde einfach durchgewunken. Dann kamen wir: Ein Blick auf das DDR-Kennzeichen des Wartburgs – und wir wurden ebenfalls einfach so durchgewunken! Niemand hielt unsere Personalien fest, wir konnten problemlos mit einem DDR-Fahrzeug in eine Kaserne der Bundeswehr fahren.

Ich dachte mir: Jetzt wird’s interessant, mache ich doch einfach erst einmal weiter mit. Im Folgenden wurden dann die Ossis auf die Stuben verteilt. Es gab eine Schüssel Erbsensuppe und für jeden eine Banane (sic!). Ich nahm auch eine der Staudenfrüchte, und wir saßen auf der Stube und diskutierten. Über unsere Hoffnungen und unsere Ängste, und dass wir noch gar nicht richtig verstehen konnten, was hier gerade geschah.

Die Frau wurde müde, und wollte schlafen. Es war vermutlich bereits gegen Mitternacht, doch die beiden Männer waren viel zu aufgedreht, um ein Auge zumachen zu können. Also beschlossen wir, noch einmal von der Kaserne in die Innenstadt zu fahren. Man wollte den Augenblick genießen, wusste doch niemand, ob und wann man jemals wieder die Gelegenheit haben würde. Und am nächsten Tag wollten sie ja eigentlich auch wieder zurück, um arbeiten zu gehen. (Ich weiß nicht, ob das wie geplant geklappt hat.)

Ich lotste die Beiden mit dem Wartburg zum bereits erwähnten Panoptikum. Da sie kein Westgeld dabei hatten, gab ich ihnen dort ein Bier aus. Nach einer Stunde wollten wir dann doch zurück, um noch ein wenig zu schlafen. Da meinten die beiden Männer, sie hätten Angst, nach dem Genuss eines Bieres zu fahren (in der DDR galt eine unerbittliche Null-Promille-Grenze!). Ob ich nicht den Wartburg zurück zur Kaserne fahren könne…

Ich ließ mir also die technischen Besonderheiten des Fahrzeugs kurz erklären, und wir machten uns erneut auf den Weg. Und vor der Kaserne durfte ich das Wunder noch einmal, diesmal sogar am Steuer des Wagens erleben – sobald die Wachsoldaten erkannten, dass es sich um ein Fahrzeug aus der DDR handelte, wurden wir freundlich und ohne jegliche Kontrolle in die Kaserne hinein gewunken.

Die Wache staunte aber dann doch ein wenig, als ich kurz darauf zu Fuß die Kaserne verließ, um mich auf den Heimweg zu machen. Meine Wohnung lag quasi auf der Rückseite der Kaserne. Dort angekommen, schaltete ich bestimmt noch einmal den Fernseher ein, um nun auch in Berlin die Wartburgs und Trabbis über die Grenzübergänge rollen zu sehen. Und irgendwann bin ich dann nach dieser aufregenden Nacht vermutlich auch mal eingeschlafen…

Halten wir aber für die Nachwelt fest: Die ersten Grenzüberquerungen fanden nicht in Berlin, sondern am Grenzübergang Helmstedt-Marienborn statt. Und der Autoverkehr rollte auch schon längst von Helmstedt nach Braunschweig, als an der Bornholmer Straße der Schlagbaum noch geschlossen war. Schade nur, dass ich in jener Nacht kein Fernsehteam getroffen habe, dem ich von diesen unglaublichen Ereignissen hätte berichten können.

Wo fahren sie denn?

Ich weiß im Moment nicht, ob ich mich mehr über die Kommunikation seitens der Bahn oder über die anschließenden Berichte in den Medien aufregen soll – eines ist schlimmer als das andere…

Aber von vorn: Gestern komme ich mit einigen Minuten Verspätung mit der S-Bahn am Bahnhof Dreieich-Buchschlag an, wo ich normalerweise genau drei Minuten zum Umsteigen habe. Ein Blick aus dem Fenster der ankommenden S-Bahn zeigt mir, dass die Dreieichbahn nicht mehr dort steht, wo sie laut Fahrplan um 17:26 abgefahren sein sollte. Wissend, dass eine Viertelstunde später eine Regionalbahn aus Frankfurt ankommen würde, mit der ich ebenfalls mein Ziel erreichen würde, schlendere ich zusammen mit vielen anderen Passagieren durch die Unterführung.

Plötzlich beginnen die Vordersten die Treppe zum Gleis hochzulaufen, und man hört auch in der Unterführung, wie ein Zug einfährt. Ich beginne ebenfalls zu laufen, und wundere mich, als ich auf dem Gleis ankomme, denn die Bahn, die jetzt dort steht, kam offensichtlich nicht aus Frankfurt. Aber egal, erst einmal hinein, um noch einen guten Sitzplatz zu ergattern.

Kaum sitze ich, höre ich eine Durchsage ungefähr folgenden Inhalts: „Wegen eines Personenunfalls ist die Strecke leider bis auf weiteres gesperrt. Dieser Zug fährt nur bis Sprendlingen [also eine Station weiter].“ Von dort müssten wir mit dem Bus nach Urberach fahren.

Da es keine direkte Busverbindung zwischen Sprendlingen und Urberach gibt, gehe ich genau wie viele andere Fahrgäste davon aus, dass ein Schienenersatzverkehr eingerichtet wird, um uns ans Ziel zu bringen, bzw. wenigstens soweit, dass wir mit einer anderen Bahn hätten weiterfahren können. Also steigen alle in Sprendlingen brav aus (darunter auch eine Frau mit einer Krücke), steigen wieder eine Treppe hinab, laufen durch die Unterführung, um auf der anderen Seite wieder eine Treppe hochzusteigen.

Die Ersten von uns sind schon beinahe an der nahen Bushaltestelle angekommen, als der Zug auf einmal ein Signal von sich gibt. Die Letzten hören wohl den Zugführer etwas rufen, woraufhin sie umdrehen. Die ganze Menschenmasse folgt, in der Hoffnung, dass die Strecke nun doch frei sei. Doch zu früh gefreut…

Drei Stationen später in Götzenhain (ja, das klingt nicht nur wie der Arsch der Welt) eine erneute Durchsage, dass der Zug dort endet, und wir mit dem Bus weiterfahren sollen. So langsam beschleicht uns der Verdacht, dass es doch keinen Schienenersatzverkehr geben würde. Alle steigen erneut aus, ein Großteil läuft wieder durch eine Unterführung, um zur nächsten Bushaltestelle zu gelangen.

Aber auch dort fährt kein Bus in die Richtung, in die wir wollen. Erschwerend kommt für mich hinzu, dass ich bei der Suche nach einer alternativen Möglichkeit, nach Hause zu kommen, nicht die Tarifzone meiner Jahreskarte verlassen darf. Aber zum Glück hat meine Ehefrau in Kürze Feierabend, und wird auf dem Heimweg von Frankfurt sowieso in der Nähe von Götzenhain vorbeikommen.

So endet die Odyssee damit, dass nach einer weiteren halben Stunde meine Ehefrau außer mir noch einen unserer Nachbarn, der mit im Zug war, und einen weiteren Rödermärker, der schon eine Stunde vor uns dort in Götzenhain gestrandet war, aufpickt, und spät, aber glücklich ans Ziel bringt. Die Bahnstrecke wurde vermutlich kurz vorher wieder freigegeben.

Die Bahn kann selbstverständlich nichts dafür, wenn sich jemand vor einen ihrer Züge wirft. und sie konnte in diesem Fall wohl auch schlecht abschätzen oder in Erfahrung bringen, wie lange die Sperrung dauert. Aber die Fahrgäste ohne eine Information, wie sie denn nun ans Ziel kommen können, einfach auszusetzen, ist ein Unding. Wenn die Bahn schon keinen Schienenersatzverkehr einrichtet, dann sollte sie wenigstens erkunden, auf welche Weise ihre Fahrgäste ans Ziel kommen können, bevor sie diese rausschmeißt. Eine Möglichkeit wäre gewesen, zurückzufahren, weiter mit der S-Bahn nach Frankfurt, und dort in eine anderre S-Bahn, die auf einer anderen Route nach Rödermark fährt. Allerdings hätte die Bahn es organisieren müssen, dass dazu zeitweise Fahrgäste wie ich den Gültigkeitsbereich ihrer Zeitkarten verlassen dürfen.

Dieser Umweg hätte zwar auch sehr lange gedauert, aber das ist immer noch besser, als gar nicht zu wissen, wie man überhaupt wegkommt. Eine weitere Möglichkeit wäre gewesen, die Passagiere einfach im Zug warten zu lassen, bis die Strecke irgendwann wieder freigegeben wird. Wir hatten zwar angenehmes Wetter, hätten uns aber eigentlich das Hin- und Hergerenne durch Unterführungen ersparen, sondern in Ruhe im Zug weiter lesen oder Musik hören können.

Und nun kommt noch die Berichterstattung in den Medien… Offensichtlich schreibt man voneinander ab, denn wie hätte sich sonst so lange die Behauptung von einer S-Bahn oder einer S-Bahnstrecke halten können? Die Dreieichbahn ist eine Regionalbahn, und die Strecke ist nicht elektrifiziert – dort können also gar keine S-Bahnen entlangfahren! Hätte er darauf gewartet, sich dort vor eine S-Bahn werfen zu können, dann stünde er jetzt noch an der Stelle herum…

Die Rechtschreibfehler im Artikel der „Offenbach Post“ sind wohl bis auf „Zwei Tore“ im Titel der Seite beseitigt worden. Doch noch immer hat sich der Mann angeblich vor eine S-Bahn geworfen. Der Schlusssatz

„Die etwa 25 Fahrgäste in der Bahn mussten im Bus weiterfahren.“

hätte ebenfalls ganz anders lauten müssen:

„Die mehr als 100 Fahrgäste aus diesem und nachfolgenden Zügen sollten wegen der Vollsperrung der Strecke mit Bussen weiterfahren, von denen jedoch keiner zum Ziel führte.“

Bei der „Offenbach Post“ heißt es außerdem, dass die Frau erwürgt wurde. Das steht allerdings in eklatantem Widerspruch zu einem anderen Artikel:

„Bluttat in einem Mehrfamilienhaus“

„Blutspuren im Flur“

„Frau mit schweren Schnittverletzungen“

Das stammt – natürlich? – aus bild.de, deren Redakteure wieder einmal mehr wissen (oder vermuten?) als andere Redaktionen. Der Stil ist unverkennbar (man beachte die Pünktchen):

„Sie waren ein Paar…“

Währenddessen ist in der Überschrift allerdings nur von einem „Pärchen-Drama“ die Rede. Da hatte es wohl noch nicht zu einem ausgewachsenen Paar gereicht. Was soll diese Unsitte, ein Ehepaar (in diesem Fall Ende 40) nicht als „Paar“, sondern als „Pärchen“ zu bezeichnen? Klingt wie „Bärchen“, irgendwie niedlich.

Mir ist es ja egal, ob dieser Mann sich vielleicht aus Frust darüber, dass keine S-Bahn kam, selbst erwürgt hat. Aber dass die Bahn ihre Fahrgäste (= Kunden!) sprichwörtlich im Regen stehen lässt, ist eine Unverschämtheit. Als Besitzer einer (teuren) Jahreskarte möchte ich Hilfe erhalten, wie ich nach Hause kommen kann, anstatt einfach nur aus dem von mir ursprünglich gewählten Beförderungsmittel geworfen zu werden.

Muss ich noch erwähnen, dass die Livefahrpläne der Bahn während des Desasters auch keine Hilfe waren? Auf der Suche nach der nächsten Heimfahrtmöglichkeit wurden mir ausschließlich die planmässigen Verbindungen der Dreieichbahn angezeigt, keine Warnung, dass die Strecke zur Zeit gesperrt ist. Jede Autonavigation bietet heutzutage die Möglichkeit, Staus zu umfahren. Aber die Bahn kennt wohl keine Staus, nur Störungen im Betriebsablauf, die man nicht umfahren, sondern nur geduldig ertragen kann.

Hier geht’s jetzt um die Wurst.

Pro

  1. Tolles Lied, könnte auch als James-Bond-Titelmelodie von Celine Dion gesungen werden – also ein klassischer ESC-Song.
  2. Schönes Kleid.
  3. Kein Herumhampeln, kein Möchtegernballett. Im Vergleich zu den anderen „Künstlern“ so gut wie keine Show. Daher Konzentration auf das Wesentliche: Die Musik.
  4. Eine (für meine Ohren) überraschend gute Stimme.
  5. Eine Ohrfeige und herbe Niederlage für Russen und andere Homophobe.
  6. Der Traum vieler Schwuler (aus denen das ESC-Publikum zum größten Teil besteht) wird wahr: Ein bekennender Schwuler gewinnt als Dragqueen im Klitzerkleid den ESC. Wer von Euch Schwulen nicht auch schon mal davon geträumt hat, der werfe das erste Wattebäuschchen…

Contra

  1. Der Bart sieht irgendwie bescheuert aus. Er erinnert mich immer an diesen hirnlosen Glööckler. Aber vielleicht war er ja (der Bart, nicht der Glööckler) der Schlüssel zum Erfolg?

Damit müssten auch die Kirchen leben können

Karfreitag, Ostermontag, Himmelfahrt, Pfingstmontag, Fronleichnam, erster und zweiter Weihnachtstag – das sind die sieben staatlichen Feiertage bei uns in Hessen, die religiös begründet sind. (Die anderen sind Neujahr, Tag der Arbeit und Tag der deutschen Einheit.) Was spräche im Sinne der Trennung von Staat und Kirche dagegen, diese Tage wie schon zuvor den Buß- und Bettag zu einfachen religiösen Feiertagen zu „degradieren“, an denen prinzipiell gearbeitet werden muss?

Damit nun niemand benachteiligt wird, bekommen alle stattdessen sieben Tage „Sonderurlaub“. Diesen dürfen sie z.B. an ihren religiösen Feiertagen nehmen, um wie bisher den Gottesdienst besuchen zu können. Somit könnten sich Christen auch nicht mehr darüber beschweren, dass Ungläubige solche Feiertage gerne mitnehmen, anstatt arbeiten zu gehen: Wir gehen einfach arbeiten, und nehmen stattdessen an einem anderen Tag unseren Sonderurlaub. (Hat sich eigentlich schon mal jemand darüber beschwert, dass Arbeitslose den Tag der Arbeit „mitnehmen“ würden?)

Es könnten auch einige dieser staatlichen Feiertage durch andere, nicht religiös begründete ersetzt werden. Es bietet sich z.B. der Europatag am 5. Mai an. Allerdings ginge das auf Kosten der Gläubigen, da diese dann einen Tag weniger Sonderurlaub hätten, und „normalen“ Urlaub an ihrem religiösen Feiertag nehmen müssten.

Früher in der Schule (in Niedersachsen) durften die katholischen Schüler an katholischen Feiertagen wie z.B. Fronleichnam einfach freinehmen. Umgekehrt gab es leider für uns evangelische Schüler keine evangelischen Feiertage, die nicht auch katholische waren. (Der Reformationstag war damals kein Feiertag.) Andererseits sollten die Kirchen trotz „Lasset die Kindlein zu mir kommen“ besser die Finger von unmündigen Menschen lassen. Natürlich wollen die Kirchen die Menschen so früh wie möglich in ihrem Sinne beinflussen. Kann ich gut verstehen, halte ich aber für unzulässig.

Genauso unzulässig wie (religiös begründete) Vorschriften für Anders- oder Ungläubige. Stellen Sie sich mal vor, ein Gesangverein würde allen Leuten im Ort (auch den Nichtmitgliedern) vorschreiben wollen, dass Mittwochabends niemand Musik hören darf – weil der Gesangsverein zu dieser Zeit in Ruhe üben möchte. Klar, für einen Verein selbst – auch für die Kirche – muss es Regeln geben. Aber diese dürfen sich nicht auf Nichtmitglieder erstrecken! (Außerdem gelten natürlich die staatlichen Gesetze zur Ruhestörung und Lärmbelästigung.) Und wie laut würden wohl die Christen schreien, wenn sie ihre Sonderrechte teilen müssten, und ihnen an islamischen Feiertagen bestimmte Vorschriften gemacht würden?

In manchen Gegenden gibt es sogar die Tradition des Ratschens. Kurz erklärt: Während allgemeines Tanzverbot herrscht, ziehen Christen umher und machen Lärm, welcher die Gläubigen aufruft und die Ungläubigen nervt. Hat schon mal jemand versucht, die wegen Lärmbelästigung anzuzeigen?

Was die Ladenöffnungszeiten betrifft, so sollten ebenfalls keine Vorschriften gemacht werden. In Gegenden mit überwiegend religiöser Bevölkerung, in denen dann viele an religiösen Feiertagen freinehmen, müssten sich Einzelhändler natürlich Gedanken darüber machen, ob sie ihren Laden für den Rest der Bevölkerung unbedingt öffnen müssen. In anderen Gegenden müssen sie sich Gedanken darüber machen, ob sie den Laden an einem solchen Tag unbedingt schließen wollen. Das sollten wir der „unternehmerischen Freiheit“ überlassen.

Und das allgemeine Tanzverbot an religiösen Feiertagen sollte natürlich ersatzlos gestrichen werden: Keine Sonderrechte mehr für bestimmte Religionsgemeinschaften!

Fünf Fragen (ohne Stöckchen)

Blogstöckchen: Fünf Fragen.

Antje Schrupp möchte gerne, dass auch ich ihre fünf Fragen beantworte. Bitte sehr…

1. Stell dir vor, du kommst von einem fremden Planeten auf die Erde und müsstest dir eine Religion aussuchen – welche wäre das (außer deiner eigenen, das gilt nicht)?

Mir graut vor dem Gedanken, mir eine Religion aussuchen zu müssen. Zumal ich gar keine eigene habe, die nicht gelten würde. Aber ich habe mir schon oft überlegt, was wohl Außerirdische über uns denken könnten. So kann ich mir auch vorstellen, wie ich reagieren würde, wenn ich – als „Zugereister“ – zum ersten Mal mit Religion in Berührung käme. Ich wäre irritiert und skeptisch. Und würde zuallererst fragen, wieso ich auf meinem Planeten noch nie etwas von all den großartigen Göttern mitbekommen habe, die die Erde bevölkern. Haben die etwa auch meinen Heimatplaneten heimlich erschaffen, ohne dessen Bewohner darüber in Kenntnis zu setzen?

Und ich bin mir sicher, ich würde schnell wieder zurückfliegen, wenn mir die religiösen Menschen zu sehr auf die Nerven gingen, z.B. indem sie mir einreden wollen, ich müsse eine Religion wählen, denn (wie bisher) ohne Gott – das ginge ja nun gar nicht…

2. Dein Lieblingsbuch aus der Bibel?

Ich mag eine Stelle ganz besonders, bei der ich jedes Mal lachen muss. Ich muss aber erstmal raussuchen, wo die genau war. Es ging um den Bau und die Ausstattung des Zeltes für die Bundeslade (und die Kleidung für die Priester, und die Opfergaben, und… und… und…). Zuerst schreibt Jahwe dem Volk Israel und den Priestern haargenau vor, wie das alles herzustellen und zu errichten sei. Über viele Seiten. Und dann folgt über ebenso viele Seiten die Ausführung, dass es auch bis ins letzte Detail genauso wie vorgeschrieben ausgeführt wurde.

Das Ganze steht direkt nach der Übergabe der Zehn Gebote an Moses, irgendwo in dessen 2. Buch…

3. Gebrauchst du im Gespräch mit nicht-gläubigen Menschen das Wort “Gott” und wenn ja, wie sind die Reaktionen?

Ich halte mich eher zurück, mit Gläubigen darüber zu sprechen. Denn mit denen kann man nicht so gute Witze darüber reißen, weil die das ernstnehmen und sogar als „heilig“ erklärt haben. Daher grenzt es schon an Blasphemie, wenn ich als Ungläubiger zu Gläubigen über Gott spreche. Das Problem habe ich zum Glück bei nicht-gläubigen Menschen nicht.

4. Gibt es derzeit eine Renaissance der Religion oder nicht?

Ja, nur nicht überall. Zum Glück nicht.

5. Was bedeutet für dich Frommsein?

Gar nichts. Ich erlebe nur andere Menschen, die sich als fromm bezeichnen, und die daher meiner Meinung nach an sich selbst (und nicht an Andere) strengere Maßstäbe anlegen müssten, die sich aber in ihrem Verhalten überhaupt nicht von Anderen unterscheiden.

Nun reicht es aber, Oliver Thiel!

Kennt Ihr Oliver Thiel? Vermutlich ebenso gut wie ich: Ich kenne ihn nicht persönlich, weiß nicht einmal, ob es ihn wirklich gibt. Aber ich bekomme häufige und unregelmäßige Mails in seinem Namen zugeschickt. Meist möchte er mich überreden, Goldmitglied bei StayFriends zu werden. Aber gestern hat er es in meinen Augen zu weit getrieben. Er schrieb Folgendes:

Herzlichen Glückwunsch zum Namenstag, Ingo

Hallo Ingo!

Sie haben heute Namenstag und wir dürfen Ihnen sehr herzlich dazu
gratulieren. Erfahren Sie mehr über die Bedeutung Ihres Namens.

Mehr über meinen Namen erfahren
http://go.stayfriends.de/3Xk0giV3xMQYIkyX/saintsday_own

Viele Grüße
Oliver Thiel
StayFriends Mitgliederbetreuung

Offensichtlich weiß Oliver Thiel nicht, dass ich schon so alt bin, dass ich mehr als eine Gelegenheit hatte, die Herkunft meines Vornamens zu erleuchten. Und das ist in meinem Fall nicht sehr schwierig: „Yngvi (auch Ingwë bzw. Ingwio) ist der Name der wichtigsten Gottheit des Germanenstammes der Ingaevonen.“ Ingo ist einfach die deutsche Form dieses Namens. Und es ist das Original, und nicht die Kurzform z.B. von Ingbert, wie an manchen Stellen zu lesen ist. Im Gegenteil: Alle anderen Namen, die mit Ing- beginnen (so auch weibliche Formen wie Ingeborg oder Ingrid) sind von Yngvi/Ingwio/Ingo abgeleitet worden.

Der erwähnte Namenstag bezieht sich aber auf den Heiligen Ingbert, der im 6./7. Jh. als Einsiedler im heutigen Saarland einsiedelte. Weshalb dort sogar ein Ort nach ihm benannt wurde. Es gibt also keinen Heiligen Ingo. Das wäre auch äußerst seltsam, wenn die katholische Kirche einen nordischen StammesGOTT heiligspräche…

Andererseits ist es auch seltsam, dass Oliver Thiel (vermutlich selbst katholisch) einfach so davon ausgeht, dass auch ich zu seiner Glaubensgemeinschaft gehören und damit Namenstage feiern würde. Als ehemals getaufter Protestant habe ich zwar in meiner Kindheit immer bedauert, dass ich niemals Namenstag feiern kann. Aber als heutiger Atheist habe ich nicht nur die Trauer darüber, sondern sämtlichen religiösen Ballast überwunden.

Und daher, lieber Oliver Thiel, möchte ich Sie bitten, sich nicht weiter auf diese katholische Weise bei mir einzuschleimen. Sonst könnte ich auf die Idee kommen, mal wieder darüber nachzudenken, was – außer Ihren Mails – mir eigentlich die (normale) Mitgliedschaft bei StayFriends bringt. Und schlimmstenfalls trete ich dann endlich mal dort aus.